Kulturverlauf
Vom Sägemehl zum Edelpilz
Die Silos sind gut gefüllt, als Wilfried Holst die Produktion für den heutigen Tag startet. Aus den hochragenden Lagertanks, die draußen neben der Halle stehen, lässt der Produktionsleiter über mehrere Rohrleitungen die Zutaten für das so genannte Substrat in die weiße Mischmaschine strömen – auf dem Gemisch aus Sägemehl, Getreide, Weizenkleie, Ölpresskuchen, Wasser und Kalk sollen später die Pilze wachsen.
Als der Rührvorgang startet, schauen die Experten genau auf die Anzeige, auf der das Gewicht der braunen Masse angezeigt wird. Das stimmt schon einmal, aber die erfahrenen Mitarbeiter des Schwesterunternehmens BioMycoTec, das das Substrat verlässlich und immer wieder in gleicher Qualität für Pilzgarten herstellt, möchten es genau wissen. Sie greifen tief hinein in das warme Gemisch und zerreiben es zwischen den Fingern. Konsistenz, Farbe, Feuchtigkeit, alles so, wie es sein soll.
Für jede Pilzsorte gibt es ein eigenes Substratrezept, auf dem die Fruchtkörper später besonders gut und sicher gedeihen. Heute sind Kräuterseitlinge dran, das Hauptprodukt von Pilzgarten. Direkt hinter der Mischmaschine sitzt Dao Soumarou, der das Substrat in Polypropylentüten abfüllt. Rund drei Kilogramm müssen es sein, um möglichst effizient mit den Rohstoffen umzugehen und gleichzeitig ideale Wachstumsbedingungen zu schaffen. An der nächsten Station werden die Substratmischungen auf kleinen Wagen in so genannte -Autoklaven geschoben, etwa 1,50 Meter hohe Druckbehälter, in denen das Material bei 121 Grad Celsius sterilisiert wird.
Das ist ein entscheidender Schritt, weil nur so ausgeschlossen werden kann, dass Mikroorganismen den empfindlichen Wachstumsprozess stören. Nach dem Abkühlen kommen die Substrattüten in einen Reinstraum. Bernd Heinsen versetzt den braunen Block nun mit dem Myzel des Kräuterseitlings, also dem eigentlichen Körper der Pilze. Auf 100 Tonnen Produktion kommt eine Tonne Brut, die Pilzgarten bei verschiedenen Brutherstellern in Europa einkauft.
Das Myzel verbreitet sich
Die Tüten, die mit einem kleinen Luftfilter versehen sind, werden verschweißt, zunächst in klimatisierte Durchwachsräume und dann in eine große Halle gebracht – dort verbreitet sich das Myzel im gesamten Material. Je nach Sorte dauert dieser Prozess zwischen drei Wochen und fünf Monaten. Wilfried Holst ist dafür verantwortlich, dass Lichtverhältnisse, Temperaturen, Luftfeuchtigkeit und die Zufuhr von Frischluft für jede Pilzsorte genau angepasst sind – der Kräuterseitling zum Beispiel liebt es, bei 22 bis 24 Grad Celsius und einer Feuchte von 90 Prozent durchzuwachsen.
Für gutes Wachstum muss alles stimmen
Nach acht Wochen wird der Edelpilz zum Fruchten gebracht. Dazu müssen Pilzgarten-Produktionsleiter Christian Oertel und sein Team zunächst einmal eine „Massage-Einheit“ einlegen. In der geschlossenen Tüte rauen sie die Blöcke oben an der Oberfläche auf, was tatsächlich ein wenig nach Durchkneten aussieht. Danach müssen die so konditionierten Blöcke bei 14 Grad Celsius und Licht gut zehn Tage ruhen. Innerhalb dieser Zeit bilden sich an dem Block in der Tüte die ersten Pilzansätze. Anschließend werden die Blöcke aus den Tüten genommen, per Förderband in die Gewächshaustunnel gebracht und dort in die Regalsysteme gelegt.
Wiederum bei speziellen Temperaturen, einer leichten Berieselung und einer ausgewogenen Mischung von Licht und Dunkelheit wachsen die Pilze zum Teil in mehreren Wellen innerhalb von ein bis drei Wochen aus den Substratblöcken. Um während dieser Zeit einem möglichen Befall zum Beispiel mit Schimmel vorzubeugen, kommen Demeter-Spritzpräparate zum Einsatz – außerdem kontrollieren Christian Oertel und seine Mitarbeiter die Pilze täglich.
Frisch in den Großmarkt
Wenn die Blöcke erntereif sind, muss es schnell gehen – die Pilze können und sollen nur absolut frisch in den Verkauf gehen. Bianca Früchtenicht und ihre Kolleginnen schneiden sie mit kleinen, scharfen Messern ab, begutachten die Ware und sorgen so für eine handverlesene Auswahl. Auf die Güte achten in der Verpackungshalle schließlich auch noch einmal Mitarbeiterinnen wie Claudia Puppa, die die Pilze in die verschiedenen Verpackungseinheiten sortieren.
Dort werden sie, wenn sie nicht am selben Tag zum Großmarkt gefahren werden, in Kühlhäusern gelagert, die mit einer modernen Ultraschallbefeuchtung ausgestattet sind.